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Asyl im Schengenland

Herbert Langthaler

Anfang Oktober 2005 verging kaum ein Tag, an dem im Fernsehen nicht Bilder von jungen Afrikanern, die mit dem Mut der Verzweiflung gegen die Grenzzäune der spanischen Enklave Ceuta anrennen, zu sehen waren. Die Reaktionen der offiziellen Politik: Es sollen Anhaltelager in den Anrainerstaaten der EU errichtet werden.
Menschen, die Angst haben müssen in der Heimat aus Gründen der Religion, der Rasse, der politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden, haben ein Recht auf Asyl. So regelt es die Genfer Flüchtlingskonvention und ihr Zusatzprotokoll. Noch nie seit der Unterzeichnung dieser internationalen Verträge, war das Recht auf Asyl so gefährdet wie heute.
In der Zeit des Kalten Krieges wurden Tausende Flüchtlinge aus kommunistischen Staaten, aber auch aus Chile, Argentinien, Griechenland und anderen Diktaturen in den demokratischen Staaten Westeuropas aufgenommen. In der BRD war das Recht auf Asyl sogar Teil des Grundgesetzes (Artikel 16).
Im Laufe der 198OerJahre nahm der Anteil der AsylwerberInnen  aus Ländern der so genannten Dritten Welt zu, die Flüchtlinge wurden „sichtbarer“. Mit dem Ende der Systemkonkurrenz zwischen den westlich kapitalistischen Ländern und dem realen Sozialismus in Osteuropa, fiel eine wichtige politische Legitimation für die Aufnahme von Flüchtlingen weg. Aus schutzbedürftigen „Opfern des Kommunismus“ wurden fast über Nacht „Wirtschaftsflüchtlinge“.
In den Jahren nach 1989 kam es in fast allen EU-Staaten (und jenen die es noch werden wollten wie Österreich oder die Schweiz) zu massiven Restriktionen in der Asylpolitik. In Österreich sollten das 1991 beschlossene Asylgesetz und das Bundesbetreuungsgesetz von 1990 das Land als Zufluchtsort unattraktiv machen. In den folgenden Jahren führte dies zu einem starken Rückgang der Asylwerberlnnen von 27.000 (1991) auf rund 5000 pro Jahr und zu einer gesunkenen Anerkennungsquote.
Auch in der BRD wurden aus Schutzbedürftigen „Asylanten“ und mit massiven Kampagnen gegen Flüchtlinge wurde die Abschaffung des Asylrechts im Grundgesetz vorbereitet. Die immer heftiger geführte Diskussion führte dazu, dass in mehreren deutschen Städten Flüchtlingsunterkünfte angezündet wurden und AsylwerberInnen auf offener Straße getötet wurden.
Am 1. Juli 1995 trat schließlich ein neues Asylgesetz in Kraft. Zwar wurde der Artikel 16 beibehalten aber mit Zusatzartikeln ergänzt, in denen eine „Drittlandklausel“ und das Konzept der „Sicheren Herkunftsländer“ eingeführt wurde. Auch hier mit der Folge, dass die Anträge von einem Spitzenwert von 438.191 (1992) auf unter 100.000 sanken.
Das in Österreich erstmals eingeführte Konzept des „Sicheren Drittlandes“, die Annahme dass jeder Gebietskontakt mit einem Drittstaat bereits Sicherheit bedeute (unabhängig davon, ob der Flüchtling dort einen Asylantrag gestellt hatte oder dem betreffenden Staat die Durchreise oder der Aufenthalt überhaupt bekannt waren) setzte sich in den folgenden Jahren in ganz Europa durch. Es kam zu einer rigorosen Abschottung, zur Errichtung der „Festung Europa“, an deren Mauern beim Versuch diese zu überwinden in den vergangenen zwölf Jahren über 10.000 Menschen den Tod fanden.
Als im Jahre 1999 im finnischen Tampere beschlossen wurde, innerhalb von 5 Jahren für alle Mitgliedsstaaten verbindliche Asyl-Richtlinien zu verabschieden, waren angesichts der durchaus liberalen Ansätze in den Richtlinienentwürfen der EU-Kommission die Erwartungen bei Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen hoch.

Schon damals bestand der Pferdefuß beim Harmonisierungsprozess im Einstimmigkeitsprinzip, das den Beschlüssen des EU-Rates zugrunde liegt. So wurde es möglich, dass anstatt eine Hebung von Standards und Rechten in den verschiedenen Bereichen zu forcieren, Mitgliedsstaaten auf ihren restriktiven nationalen Regelungen beharren konnten. Was wiederum als Ermunterung an andere Staaten wirkte, solch fragwürdige „Standards“ auch in ihren Ländern verbindlich einzuführen.

Besonders deutlich wird dies bei der letzten von sechs seit 1999 ausgehandelten Richtlinien, der „Richtlinie zu einem einheitlichen Asylverfahren“. Der im Juni 2002 vorgelegte Entwurf enthält so viele Sonderfälle für beschleunigte Verfahren mit Möglichkeiten den Rechtsschutz einzuschränken, dass reguläre Verfahren mit grundlegenden Rechtsgarantien wie die Ausnahme erscheinen.

Es gibt keinen gesicherten Zugang zum Asylverfahren, dafür sorgen Drittstaatsregelungen, die über die geltenden weit hinausgehen, indem auch Staaten, die nicht der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten sind, als sicher angesehen werden können.
Das Europaparlament hat im September 2005 diesen Entwurf der EU-Innenminister zwar abgelehnt, aber dieses eindeutige Votum für das Menschenrecht auf Asyl wird folgenlos bleiben. Noch hat das EU-Parlament keine Möglichkeit Richtlinienentwürfe des Rates zu Fall zu bringen.
Weiter unter Druck kommt die Asylpolitik durch eine Reihe anderer Themen wie der Bekämpfung von illegaler Migration, Menschenhandel, Schleuserkriminalität, und Terrorismus. Damit werden Dutzende Maßnahmen durchgesetzt, die es MigrantInnen (und damit auch Flüchtlingen) unmöglich machen sollen, ihren Fuß auf EU-Boden zu setzten. Dabei spielen auch die Außenbeziehungen der EU eine wichtige Rolle, wobei Kooperation und Hilfe an arme Staaten mit rigider Migrationskontrolle und der Bereitschaft abgelehnte AsylwerberInnen zurückzunehmen, verknüpft werden.



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