Structure
[camp!] ist ein Netzwerk von internationalen ProjektpartnerInnen, das in Form eines transdisziplinären Arbeitslabors den aktuellen öffentlichen Lagerdiskurs aufgreift und den "Lager-Komplex" als multidimensionales Phänomen (politisch, wissenschaftlich, architektonisch, künstlerisch, performativ etc.) auffächert.
[camp!] versteht den "Lager-Komplex" als mentales und soziales Symptom, das nicht nur politische und architektonische "Lager" im engeren Sinn ausbildet, sondern als Phänomen des temporären Zusammenlebens unter künstlichen Bedingungen auch in die Kunstproduktion Eingang gefunden hat.
Das [camp!] -project dokumentiert und analysiert diese Projekte, um sie in einen neuen spartenübergreifenden Kontext zu setzen. Künstler- und TheoretikerInnen können sowohl ihren eigenen "Lager-Komplex" in neuen, kommunikativen Netzwerken untersuchen als auch zu einem multimedialen Archiv der "Morphologie des Lagers" beitragen.
Die Forschungs-, Diskussions- und Dokumentationsprozesse speisen prozessual Laborphasen der internationalen PartnerInnen, die wiederum als Nährboden für konkrete performative und künstlerische Einzelprojekte dienen.
Background
"Das Lager" ist ein aktuelles Phänomen gesellschaftspolitischer Entwicklungen.
Das Lager ist eine Zone des juristischen Ausnahmezustands. Jede Regel muss im Lager erst verhandelt werden. Ein logischer Ausgangspunkt zur Analyse des "Lagers" als Komplex scheint das geplante System von Anhaltelagern rund um die EU, ein logistisches Leitsystem von Bevölkerungen, das im Gefälle der armutsbedingten globalen Migration Menschenflüsse und Menschenmassen steuern und bremsen soll. Die Situation von AsylwerberInnen in Europa, die jahrelang im Ausnahmezustand - im Lager - auf die Entscheidung über ihre Aufenthaltsgenehmigung warten müssen, erweist sich als ein medial sehr präsentes Problem, das mit breiteren gesellschaftlichen Entwicklungen zusammenhängt.
Der prekäre Status der AsylwerberInnen, die sich zwar faktisch in einem Land aufhalten, sich de jure aber in einem Niemandsland bewegen, das als "Lager" Institution wird, geht mit einigen symptomatischen zeitgenössischen Phänomen einher: Mechanismen der Selbst- und Fremdeinschließung ("Capsularity"), die Verwaltung von Personen (insbesondere "Fremder") als logistisches Problem, eine neue urbane und sub-urbane Kultur temporärer Besiedlung und das Entstehen von "Non-Sites" und Heterotopien.
Obwohl sich humanitäre Einrichtungen und die Verwaltungsapparate kritisch gegenüberstehen, sind sie sich in einem Punkt einig: die Lage der AsylwerberInnen und MigrantInnen muss so schnell wie möglich "normalisiert" werden, die prekäre Wartestellung im Lager darf nicht länger als unbedingt nötig dauern. Was aber beide Diskurse möglicherweise nicht erkennen können, ist die Tatsache, dass eine Gesellschaft, die eine relativ große Gruppe von Personen unter diesen Bedingungen leben lässt, sich ein Symptom einhandelt, das auf diese Gesellschaft zurückwirkt. Das "Ausgelagerte" wirkt auf das Innere zurück.
Die Ausbildung von "Lagern" ist Konsequenz dynamisierter und prekärer Lebensformen. Was zunächst für "die anderen" entworfen wurde, fällt auf die Lagerplaner zurück. Der Ausschluss ist umgekehrt auch eine Selbsteinschließung. Wie Giorgio Agamben gezeigt hat, entspricht die Topologie des Lagers den Möbiusschleifen einer "einschließenden Ausschließung". Das Lager als Ort der Ausnahme wird so zum Ausgangspunkt für ein neues Denken sozialer Räume.
Lager entstehen demnach in verschiedenen Zusammenhängen und erfassen auch den Freizeitmarkt und die Wohlstandsindustrie: Gated communities, Tourismusanlagen, Feriencamps und mediale "camps" im Stil von Big Brother reproduzieren die temporäre Funktionalität von Aufenthaltsorten und praktizieren zugleich die Prinzipien von Einschluss- und Ausschlussmechanismen.
Es stellt sich also schließlich die Frage, inwiefern dem so weit gestreuten semantischen Feld des Begriffs "Lager" eine ebenso vielfältige Morphologie des Lagers entspricht.
[camp!] macht sich zur Aufgabe, die Mannigfaltigkeit dieser Formen auf zentrale Symptomknoten des sozialen Raums rückzubeziehen, um ein multimediales Archiv durch Analyse und Kommentar zu verdichten.
Die mehrdimensionale Reflexion, die sich das CAMP Projekt zur Aufgabe macht, umfasst sowohl Theorie, Forschung und Diskurs als auch künstlerische, performative, mediale und architektonische Formen.
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